SensIndex
Entwicklung eines Bewertungsindex für ADAS/AD Sensoren

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Hintergrund des Projekts

Bei den Assistenzsystemen (ADAS) und insbesondere beim hoch und vollautomatisierten Fahren (AD) ist ein reibungsloses und fehlerfreies Zusammenspiel der Sensoren, Planung/Steuerung und Aktuatoren ein Schlüsselfaktor. Hier kommt der Sensorik bzw. der Zuverlässigkeit der Sensorik für den Teil der Wahrnehmung (sense-plan-act) eine zentrale Bedeutung zu. Um dieser zentralen Bedeutung gerecht zu werden, ist eine ganzheitliche Absicherung der Sensorik notwendig. Ziel des Forschungsprojekts ist es, die Sensorgüte einheitlich im Realversuch auf Basis von digitalen Testfeldern unter Zuhilfenahme von Ground-Truth-Karten (GT) bewerten zu können. Die mathematisch-objektive Bewertung auf Basis von Key-Performance-Indicators (KPIs) stellt dabei die Methodik des Lösungsansatzes dar. Durch eine hochgenaue Beschreibung des Umfeldes wird es möglich sein, die Sensor-Performance entlang der Sense-Plan-Act-Kette zu validieren und durch die Anwendung des unüberwachten Lernens sowie der Stochastik Korrekturmodelle zu entwickeln. Basierend auf der GT-Verortung, kombiniert durch Sensordatenfusion, lässt sich zunächst im Realverkehr beobachten, wie die realmenschliche Fahrtrajektorie für unterschiedliche Fahrsituationen und -typen objektiv zu beschreiben ist.

Zentrale Fragestellung

Sensoren und die zugehörige Software („Perception“) bilden den vielleicht wichtigsten technischen Bestandteil von autonom fahrenden Systemen. Sie sind es, die das Umfeld zunächst erfassen, um das Fahrzeug darin bewegen zu können. ADAS/AD sind in der heutigen Bauform schon bis weit über 200 km/h zugelassen. Deshalb ist gerade hier eine optimale Sensorperformance wichtig. Ein überholender LKW sollte zum Beispiel von einem schnell nahenden PKW-Fahrer möglichst früh erkannt werden, damit er sicher reagieren kann. Die Sensoren sollten den notwendigen Weitblick haben, um Fahrbahnverläufe zum Beispiel auf kurvigen Straßen korrekt zu erfassen. Eine schlechte Erfassung kann zu mangelhafter Fahrzeugposition in der Spur und damit zur kritischen Fahrsituationen führen.   

Objektive Schlüsselindikatoren (KPI`s – Key Performance Indicators), die die Leistungsfähigkeit von Sensoren und Perception-Software vergleichbar machen, sind enorm wichtig, um daraus die Anforderungen an die Fahrzeugsysteme und -komponenten abzuleiten. Derartige KPIs, die unabhängig vom Typ des Sensors definiert sind, gibt es derzeit nicht. Zwar werden Kameras nach Auflösung und Farbtiefe verglichen, Radarsensoren nach Reichweite, Lidarsysteme nach Anzahl von Ebenen und Auflösung. Kriterien, um zum Beispiel eine Kamera mit einem Lidar zu vergleichen, existieren hingegen nicht.

Außerdem negieren die derzeit gängigen Parameter auch die notwendige Verarbeitung in der Software. Die Verarbeitungszeit – abhängig von der Anzahl von zu erfassenden Objekten oder anderen Größen – variiert stark. Im ganzen Wahrnehmungsprozess (sense-plan-act) spielen Sensoren in der „sense“ Phase die entscheidende Rolle. Eine gängige Definition einer Schnittstelle zwischen „sense“ und „plan“ existiert derzeit nicht. Zudem hat das Sensorverhalten einen bedeutenden Einfluss auf die gesamten Fahreigenschaften im Hinblick auf Sicherheit und Fahrqualität. Wird die Umgebung fehlerhaft von den Sensoren erkannt und damit das Umfeld schlecht berechnet, so wird das Fahrzeug nicht die gewünschte Fahrlinie und das Fahrverhalten aufweisen. Ein gutes Fahrverhalten gelingt nur, wenn der Gesamtregelkreis im Fahrzeug valide Sensorsignale erhält, die nötige Sensorperformance aufweist und die Aktuatorstellungen darauf angepasst werden. Die Bewertung der Sensorperformance mittels KPI’s ist für die Analyse der Wirkkette und die Definition von Anforderungen unbedingt wichtig.

All das macht es schwer, Sensoren zu beurteilen:

  • Was macht die Leistungsfähigkeit eines Sensors aus?
  • Wie können Sensoren objektiv verglichen werden?
  • Wie beeinflusst die Fahrzeugbewegung die Leistungsfähigkeit der Sensoren?
  • Welchen Einfluss hat das Sensorverhalten auf Gesamtfahrzeugverhalten?

Die Ausgangssituation

Aufgrund der enormen Komplexität automatisierter Systeme steigt der Testaufwand exponentiell an und übersteigt den Entwicklungsaufwand bereits heute. So ist Entwicklung mit konventionellen Methoden wirtschaftlich wie zeitlich nicht mehr zu leisten. Die Beherrschung dieser Herausforderungen und Probleme wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie daher maßgeblich mitbestimmen.

Unter Fachleuten herrscht Konsens: Die Beherrschung des Aufwandes ist in Zukunft nur durch mehr Testeffizienz und deutlich mehr Simulation erreichbar. Jede Testfahrt und jeder Testkilometer sind kostenintensiv. Dies erfordert, dass die Analysefähigkeit jeder Testfahrt maximiert wird und dass eine konsequente Vorverlagerung der Absicherungsumfänge in die Simulation und eine enge Verzahnung zwischen Fahrversuch und Simulation ermöglicht wird.

Ziel, Herangehensweise und Methoden des Projekts

Beim Testen in der Simulation sind Sensormodelle ein Schlüsselfaktor. Gelingt es, Modelle von Sensoren zu erstellen, die sich in der Simulation wie reale Geräte verhalten, dann steigt die Genauigkeit der Simulation und entsprechend weniger Fahrversuche sind notwendig. Zusätzlich sind valide Szenenrepräsentation und entsprechende Fahrmanöver mit hinreichend genauen Umfeldsimulationen wichtig.

Ziel dieses Projekts ist es zum einen ein für die Sensorvalidierung und -typenzulassung gültiges digitales Testfeld zu definieren und mit beschreibbaren Parametern und KPI‘s die Sensorgüte objektiv zu beschreiben. Die hierbei zum Einsatz kommende Sensorik beruht auf verschiedenen physikalischen Prinzipien. Derzeit in Verwendung ist Sensorik wie zum Beispiel Kamera- und Radarsensoren sowie Ultraschall- oder Lidar-Sensoren. Die Bildqualität dieser Sensoren kann zudem stark hinsichtlich der gewählten Bildauflösung, Rasterung, und Abtastraten variieren. Außerdem wird diese Sensorik über die Lebensdauer eine Veränderung in der Signalgüte über entsprechende Alterung erfahren. Einen unabhängigen Standard in der Bewertung der Sensorperformance im Hinblick auf die Signalqualitäten, Erfassungsfähigkeiten und des Alterungsverhaltens sollen in diesem Projekt erarbeitet werden:

  • Die Bewertung soll auf einem unabhängigen, objektiv überprüfbaren, wiederholbaren Messverfahren beruhen.
  • Sie soll unabhängig vom Sensortyp sein.
  • Die Objekterfassung, -erkennung und -klassifikation soll Teil der Bewertung sein.
  • Die Zeitdauer, die für die Erkennung benötigt wird, soll mitgemessen werden.
  • Das Verhalten des Sensors bei Verschmutzung, geänderten Licht- und Wetterbedingungen und bei Alterung soll mit bewertet werden.
  • Der Einfluss der Fahrzeugbewegung auf das Sensorverhalten soll berücksichtigt werden.

Im Rahmen dieses Projektes werden die notwendigen Sensor-KPI‘s spezifiziert und eine Methodik entwickelt, diese zu messen und zu berechnen. Auf deren Basis wird eine Auswahl von ADAS/AD-Sensoren vermessen und ihre Leistungsfähigkeit entsprechend der neuen Methodik erhoben und verglichen. Mit dieser Messkampagne soll die Methodik validiert werden.

Als weiteres Ziel sollen Sensorverhaltensmodelle entwickelt werden, die sich mittels der erzeugten KPI‘s parametrieren lassen. Dadurch verhalten sich die Sensormodelle in der Simulation weitgehend wie reale Sensoren. So lässt sich das Zusammenspiel mit dem Gesamtfahrzeug in der gesamten Wirkkette Sense-Plan-Act untersuchen. Als Use Case sollen sich auf Basis der obengenannten Sensoren und Sensormodelle die Trajektorien von Umfeldfahrzeugen erzeugen und rekonstruieren lassen, um das real-menschliche Fahrverhalten für unterschiedliche Fahrertypen als Modell zu beschreiben. Hier gilt es folgende Fragen zu beantworten:

  • Welche Sensorperformance ist notwendig, um das real-menschliche Fahrverhalten von Umfeldfahrzeugen zu erzeugen?
  • Mit welchem Sensortyp oder mit welcher Kombination von Sensoren ist dies am besten zu erzeugen?
  • Wie ist der Einfluss der Sensorperformance (KPI’s) auf die Modellgüte? 

 


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